Bad Wörishofen. Millionenverluste in deutschen Kommunen nach riskanten Zinstauschgeschäften haben Steuerzahler und Politiker gleichermaßen aufgeschreckt. Im benachbarten Landsberg am Lech beispielsweise rechnete man zum Jahresende 2012 mit 6,2 Millionen Euro Verlust aus solchen Geschäften. Mittlerweile ermittelt dort die Staatsanwaltschaft. Auch die Stadt Bad Wörishofen macht seit dem Jahr 2007 Zinstauschgeschäfte, besser bekannt unter dem Titel Swaps – allerdings mit einem gänzlich anderen Ergebnis als die Landsberger. Dies ergab nun ein Gutachten, das Professor Dr. Andreas Rathgeber von der Universität Augsburg erstellt hat.
Der Stadtrat hatte den Experten beauftragt, das eigene Swap-Modell unter die Lupe zu nehmen. Vor allem Claus Thiessen (FDP) hatte seit vielen Monaten vehement gefordert, dass die Swaps überprüft werden, weil er langfristig ebenfalls Verluste befürchtete. Auch Bürgermeister Klaus Holetschek hatte die Swaps zuletzt öfter im Stadtrat thematisiert und die Vermittler der Verträge eingeladen. Die Stadtverwaltung hatte gleichwohl immer betont, dass die Fälle Landsberg und Bad Wörishofen nicht vergleichbar und in der Kneippstadt durch das einfache Konzept keine Verluste zu befürchten seien.
Ein Stresstest für Finanzprodukte
Diese Darstellung hat nun Rathgebers Stresstest weitgehend bestätigt. Die abgeschlossenen Swap-Verträge waren bislang „insgesamt wirtschaftlich erfolgreich“ und stellten eine effektive Zinssicherung dar, sagte Rathgeber im Stadtrat. Mit den Swaps versucht Bad Wörishofen, die Kosten für die städtische Schuldenlast möglichst gering zu halten. Mit den bislang 19 Verträgen – sechs davon laufen noch – habe die Stadt einen Überschuss von rund 278000 Euro erwirtschaftet, rechnete Rathgeber vor. Zum Stichtag im Juni 2012 waren die Verträge zwar mit rund 19000 Euro im Minus; um die entsprechende Summe hätte sich das Ergebnis reduziert. Aktuell wären die Verträge jedoch rund 395000 Euro wert, müsste sie die Stadt sofort auflösen, berichtete Kämmerin Beate Ullrich.
Rathgeber resümierte, dass Bad Wörishofen mit dem gewählten Modell gut gegen steigende wie fallende Zinsen abgesichert sei. Auch müsse die Stadt für die getätigten Geschäfte keine Rückstellungen im Haushalt bilden, wie das etwa Thiessen vermutet hatte.
Vor Rathgeber hatte sich schon der kommunale Prüfungsverband auf Einladung der Stadt die Verträge angesehen und bestätigt, dass die Kämmerei damit nicht gegen das Spekulationsverbot für bayerische Gemeinden verstößt.
Nun habe man es schriftlich, dass die Zinstauschgeschäfte nicht nur nicht spekulativ sind, sondern außerdem noch wirtschaftlich, resümierte Bürgermeister Holetschek. „Wir wollen für Bad Wörishofen das beste Ergebnis haben“, sagte er und lobte seine Kämmerei für den „hervorragenden Job“. Beide Prüfungen hätten die Stadt insgesamt 12000 Euro gekostet, sagte Holetschek. Sie hätten neue Einblicke gebracht, sagte Marion Böhmer (CSU). Immerhin ist es kein einfaches Feld, auf dem sich Bad Wörishofen da bewegt. Das zur Berechnung nötige Wissen eignen sich angehende Finanzmathematiker im neunten Semester an. Konrad Hölzle (CSU), der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, sah das Ergebnis der Prüfung im Ausschuss bestätigt.
Nachgefragt beim Finanzexperten
Ein Beispiel für alle Orte?
Prof. Dr. Andreas Rathgeber leitet den Fachbereich Finanzwirtschaft und Ressourcenmanagement der Uni Augsburg
Herr Professor, wagen sich Gemeinden angesichts von Millionenverlusten andernorts mit Zinstauschgeschäften auf zu dünnes Eis?
Rathgeber: Es kommt darauf an. In Bad Wörishofen hat das Ganze eher den Charakter einer Vollkaskoversicherung. Die Stadt hat sich ziemlich klug abgesichert, mit einem sehr intelligenten Konstrukt. Dazu nutzt Bad Wörishofen die einfachsten Instrumente, die es gibt. Da gibt es nichts Einfacheres als ein Swap, um sich gegen Zinsrisiken abzusichern.
Sollten sich entsprechend alle Unterallgäuer Kommunen an dem Bad Wörishofer Beispiel orientieren?
Rathgeber: Bad Wörishofen hat eine sehr gute und auf diesem Gebiet versierte Kämmerin. Daher weiß ich nicht, ob einfache Swaps tatsächlich für jede Gemeinde infrage kommen. Aber eine gewisse Zinssicherung in homöopathischen Dosen zu betreiben, wäre sicher richtig; nicht in großem Umfang und mit einfachen Produkten.
Wovon sollten die Kämmereien dabei lieber die Finger lassen, um hohe Verluste für die Steuerzahler zu vermeiden?
Rathgeber: Ganz klar von komplexen Produkten, Verschuldungen in Fremdwährungen, hohen Einsätzen und langen Laufzeiten. (m.he)
Von Markus Heinrich
Mindelheimer Zeitung